Podiumsgespräch auf Einladung der HKS im Ottersberger Rathaus
Am 9. Mai 2014 fand im Ottersberger Rathaus die Studium Generale Veranstaltung „Exchange. Kunst und Unternehmen“ statt. Als Referent_innen und Podiumsgäste waren die Künstler Peer Holthuizen und Henrik Schrat, der Ausstellungsmacher und Kulturjournalist Konstantin Adamopoulos und als Vertreterin der [ID]factory an der TU Dortmund die Modedesignerin Judith Klein eingeladen. Bürgermeister Horst Hofmann und Rektor Prof. Peer de Smit begrüßten die Anwesenden. Prof. Dr. Gabriele Schmid und Prof. Michael Dörner führten in die Veranstaltung ein und stellten die Vortragenden vor, welche aus unterschiedlichen Perspektiven künstlerische Interventionen in unternehmerische Zusammenhänge thematisierten.
Judith Klein berichtete über erfolgreich umgesetzte Projekte und Innovationsentwicklungen der seit 2007 bestehenden [ID]factory, dem der TU Dortmund angegliederten „Zentrum für Kunsttransfer“. Die [ID]factory erforscht, inwieweit künstlerisches Denken und Handeln einsetzbar sind für wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und wirtschaftliche Entwicklung. In der Praxis wenden sich Wirtschaftsunternehmen mit Fragen an das Zentrum, für die mit linearen Lösungsstrategien keine Antworten gefunden werden können. Der Ausgang ist offen, die Lösungen überraschend.
Der Ausstellungsmacher und Kunstkritiker Konstantin Adamopoulos arbeitet auch als freier Journalist und organisiert Seminare für Künstler_innen und in der Wirtschaft Tätige. Er „führt Unternehmen und Künstler_innen in konstruktive Auseinandersetzung“, heißt es auf seiner Homepage. Adamopoulos thematisierte in seinem Vortrag insbesondere die vertrauensvolle Beziehungsebene als Grundlage für ein kommunikatives Verhältnis zwischen Künstler_innen und Wirtschaftsunternehmen, die aus seiner Sicht Teil der Gegenwartskultur bilden.
Henrik Schrat hat als bildender Künstler im Department Management der University of Essex über das Potential von Comics in unternehmerischen Kontexten promoviert. Er interessiert sich für Zusammenhänge von Abläufen zwischen Kunst und Wirtschaft bzw. Management. „Wie verändert man sich, wenn man die Perspektive einmal wechselt, wenn etwa ein Banker sich als Künstler mit einer freien Zeiteinteilung und selbst gewählten Projekten auseinandersetzt?“ So oder ähnlich lauten die Fragen, mit denen er in seine Projekte einsteigt.
In die Podiumsdiskussion wurde Peer Holthuizen einbezogen, bildender Künstler aus Groningen, der in Oldenburg Projekte unter dem Titel „3x3“ organisiert. Beteiligt sind jeweils drei Künstler_innen aus unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen und drei Betriebsangehörige, die gemeinsam eine Problemstellung bearbeiten und lösen. Ein Coach begleitet den Prozess. Nach 18 Stunden (d.h. nach 5 Arbeitstreffen) wird auf einer Bühne das Ergebnis präsentiert. Zweierlei Interessen werden bei einer solchen Projektarbeit zusammengeführt. Zum einen das Unternehmensinteresse: verhärtete Prozesse beweglich zu machen, Sprachebenen wiederzufinden oder konkrete Lösungsvorschläge für Probleme zu erhalten. Zum anderen das Interesse der Künstler: für ihre künstlerische Arbeit Anregungen zu erhalten, sich weiter zu vernetzen und nicht zuletzt angemessen für ihre Arbeit bezahlt zu werden.
Ähnliches berichtete auch Judith Klein, die den Erfolg der Projekte der Dortmunder [ID]factory daran misst, dass Studierende aus ganz verschiedenen Studienfächern durch die Arbeit mit non-linearen Methoden in interdisziplinären Zusammenhängen Lösungen für Unternehmen entwickeln können. Der Ansatz der [ID]factory, künstlerisches Denken in außerkünstlerische Felder zu transferieren, findet zunehmend Beachtung und Unterstützung aus dem Wirtschaftsbereich, was zahlreiche Kooperationsanfragen von Unternehmen unterstreichen.
Henrik Schrat weiß aus seiner beruflichen Erfahrung, dass Unternehmen mit Künstlern arbeiten wollen, weil es einen ökonomischen Grund gibt. Künstler können Missstände in Abläufen entdecken, weil sie ihre besondere Art, anders zu denken, einbringen können. Unternehmen sind gezwungen, sich schnell zu wandeln. Da sollen Künstler „ein neues Bild“ liefern. Der Vorteil für den Künstler ist, dass er ein neues Projekt realisieren kann.
Die Teilnahme von Künstlern an Organisationsprozessen ist durchaus zweischneidig. Peer Holthuizen: „Die Unternehmen bekommen ‚den Tiger im Sack’. Nicht jeder traut sich, den Sack zu öffnen.“ Wer die Herausforderung annimmt, ungewöhnliche Veränderungen in seinem Unternehmen zu implementieren, braucht Mut und kann in der Folge enorm profitieren.
Auf die Bemerkung eines Zuhörers, wir würden in einer Gesellschaft leben, in der das einzig Beständige der Wandel sei, mit dem Unternehmen vielfach überfordert seien, bot Judith Klein an, so zu beginnen: Das Gegenteil denken. Wo kein Gegenteil mehr denkbar sei, an dem Punkt komme man der Lösung schon näher. Gabriele Schmid, Professorin für ästhetische Bildung an der HKS, stellte schließlich die Frage, ob das Klischee vom „non-linearen Denken des Künstlers“ und dem „linearen Denken des Unternehmers“ nicht eigentlich als überholt gelten könne. Als Fazit könnte man formulieren, dass künstlerisches Denken wie wissenschaftliches Denken berufsunspezifisch ist, Künstler jedoch als Experten für den professionellen Umgang mit künstlerischem Handeln in unternehmerischen Kontexten gelten können.
Ottersberg, 13.05.2014